Viele von euch werden sich fragen, warum bekanntgegeben wurde, dass die Entwicklung der foodsharing Plattform eingestellt wurde, und es jetzt doch weitergeht? Warum entwickeln wir foodsharing.de weiter, obwohl es da dieses yunity Projekt gab, das versuchte eine Nachfolgeplattform zur Verfügung zu stellen? Und dann gibt es da ja auch noch sharecy?

Lasst mich mit ein paar Worten über mich anfangen. Ich lernte foodsharing (damals noch lebensmittelretten.de) kennen, weil ich sah, dass eine Ex-Freundin an irgendeinem Foosharing Event in Hamburg im August 2014 interessiert war. Da ich seit etwa einem Jahr Veganer war, war ich schnell fasziniert von der Idee Lebensmittel zu retten und mit Gleichgesinnten in meinem Umfeld zu interagieren. Also trat ich mit Raphael Wintrich, der lebensmittelretten.de ganz alleine programmiert hat, in Kontakt, um mich auch mit meinen Fähigkeiten einbringen zu können. Dies war etwa zur selben Zeit, als ich meinen ersten Foodsaver-Ausweis erhielt.

Er war glücklich darüber, dass ich mit einstieg. Ich hatte Zeit in den Quellcode einzutauchen, während er am Zusammenschluss von foodsharing.de und lebensmittelretten.de arbeitete. Ich durfte den Code zur Migration der Chatnachrichten schreiben, den wir in der Nacht vor dem großen Relaunch am 12.12.2014 zum Laufen brachten. Um 12:12 durfte ich die Person sein, die live die Befehle auf dem Event in Köln eintippte, um foodsharing.de in neuer Form wiederauftreten ließ: Die “neue” gemeinsame Plattform.

Dieser Schritt von lebensmittelretten.de zu foodsharing.de ließ leider eine Menge ungenutzen Code in der aktuellen Codebase zurück - ich habe gerade 8600 Zeilen an Code entfernt und es gibt noch mehr zu löschen - aber hatte auch ein paar neue Features: Beispielsweise die Nutzung von Websockets per socket.io, anstatt Long-Polling XHR Anfragen für Nachrichten und Benachrichtigungen, die sonst nicht in der Lage gewesen wären, die aktuelle Serverlast zu bewältigen. Andere Veränderungen umfassen schönes Refactoring zu Modulen sowie die Deaktivierung einiger Funktionen, die schwierig am Laufen zu halten waren.

Raphael und ich nahmen beide Abstand von aktivem Feature-Development. Es gab auch keinen sichtbaren Development-Prozess, der uns leitete, keine gute Test-Umgebung, keine Anwendungsumgebung, nicht einmal ein einfaches Datenbank-Schema. Zu dieser Zeit wusste ich nicht, dass dies gut mit ein paar Tagen Arbeit zu Schaffen gewesen wäre, wie Nick später bewiesen hat.

Da der Code nicht “schön” genug war, um neue Developer einzubringen, hatten wir nur ein paar Leute, die vorbeikamen um sehr kleine Dinge beizutragen - aber nichts, dass die Plattform auf lange Zeit hin am Leben erhalten würde.

Wir gaben gewissermaßen die kostbare Software, die Raphael in Stunden um Stunden von Arbeit aufgebaut hatte, auf - und entschieden uns in Richtung yunity weiterzumachen. Zu der Zeit - Anfang 2015 - hatte niemand überhaupt nur daran gedacht, dass yunity in die Richtung gehen würde, in die es jetzt gegangen ist, da nur eine Handvoll Leute beteiligt war (Ihr könnt meinen Lightning Talk vom 31c3, Ende Dezember 2014 anschauen: 31c3 Lightning Talks on Congress Wiki). Lest mehr auf yunity.org (oder besser im [Wiki] (https://yunity.atlassian.org)), um mehr über das Projekt zu erfahren.

Beim ersten yunity-Treffen - wir waren ungefähr 30 Leute mit verschiedenen Fähigkeiten, weniger als ein Drittel dabei bei foodsharing aktiv - gab es eine Diskussion, ob wir von der foodsharing-Plattform aus (Refactoring) oder nochmal von vorne anfangen sollten (Rebuilding). Da ich noch nie vorher an einem großen Webprojekt mitgearbeitet hatte, also nicht wusste, dass es auch zufriedenstellend sein kann, an einem PHP Projekt, das um eine gute Infrastruktur aufgebaut wurde, zu arbeiten, war ich stark voreingenommen für Rebuilding abzustimmen. Das systemische Konsensieren ging sehr knapp für Rebuilding aus (Siehe Aufzeichnungen von Doug), also fingen wir an, daran zu arbeiten. Zu diesem Zeitpunkt erzählte ich offiziell allen, dass nicht weiter an foodsharing.de gearbeitet werden wird - außer am grundsätzlichsten Support, um die Plattform am Laufen zu halten, bis unsere yunity Software bereit ist, zu übernehmen.

Die Zeit danach war sehr aufregend. Wir arbeiteten an vielen schönen Orten an verschiedenen Ansätzen und bauten viele Freundschaften und ein Team mit starken Bindungen auf, sowie eine Gemeinschaft, die für viele Menschen, die vorbeikommen, attraktiv ist - und die meisten blieben. Nur eine Sache hat nicht wirklich geklappt: Die Software fertig zu bekommen. Unsere Erwartungen waren hoch, unsere Spezifikationen wuchsen, und waren trotzdem immer noch unvollständig.

Looking at progress so far, if I estimate we have completed 4% of the MVP (as currently defined in the wiki) in 9 months, it will take 18 years to develop (smile)
Nick Sellen

Wenn man sich den aktuellen Fortschritt anschaut und ich abschätze, dass wir etwa 4% des Minimalprodukts (wie es gerade im Wiki spezifiziert ist) in 9 Monaten umgesetzt haben, wird es etwa 18 Jahre zu entwickeln brauchen (smile) –Nick Sellen

Zu der Zeit setzten wir uns einen neuen Fokus. Die yunity-Entwickler fingen an, an mehreren kleineren Tools zu arbeiten, statt nur an dem einen großen Monolithen.

Im Juli hat Nick angefangen, sich den foodsharing-Code anzusehen. Am 5. August hatten wir die Entwicklungsumgebung soweit, dass sie einfach benutzt werden kann (f68c4eeb4) und am 14. August war das erste Deployment geschafft, das ein paar Environment-Veränderungen beinhaltete, die darauf folgende Deployments möglich machten, ohne das Schlimmste befürchten zu müssen.

Letztes Wochenende, vom 07.10.2016 bis 09.10.2016, fand ein yunity Hackathon im co-up Coworking Space in Berlin statt, wo wir uns auch viel auf Foodsharing konzentrierten. Seitdem läuft es mit der Entwicklung. Die meiste Zeit wird derzeit damit verbracht, Mitwirkung so einfach wie möglich zu machen. Das wird Refactoring mit einschließen, also das Anfassen von so gut wie jeder einzelnen Zeile des Codes in der Codebase (dort befinden sich etwa 50000 von diesen). Wir haben uns dafür entschieden, langsam einige Kernkomponenten von Symfony mit einzubauen und hoffentlich letztendlich eine brauchbare, komplett getestete Codebase zu haben, die von einem CI-System automatisch gebaut, getestet und ausgeliefert werden kann, wenn Kernmitwirkende die Veränderungen akzeptieren. Dass die Plattform Open Source wird, ist ein starker Wunsch der meisten Mitwirkenden, da das der Vision des Teilens entspricht.

Bis jetzt haben wir folgende Dinge geschafft:

  • Eine Entwicklungsumgebung zu schaffen, die mittels drei Befehlen ausgecheckt, eingerichtet und ausgeführt werden kann (mittels Docker/Docker compose)
  • Integration von Codeception für Acceptance, API und Unit Tests
  • Lokale Ausführungen von allen Tests
  • Automatische Ausführung von Tests in einem CI-System (Gitlab CI) für jeden Push
  • Acceptance Tests für eine sehr kleine Auswahl an Seiten, mehr werden folgen
  • Open Issue Tracker, um die Community in Fehler-Berichterstattung und Feature-Diskussionen einzubeziehen
  • Ein/e Mitwirkende zu haben, der/die an Feature-Development arbeitet
  • Drei Mitwirkende zu haben, die an Fehlerbehebungen, Sicherheitslücken sowie Refactoring des Codes arbeiten

Das bedeutet auch, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben. Wie auch immer, dieser Post sollte euch darüber informieren, was und warum ich und wir tun, auch wenn ich meine Gründe fürs Zurückkommen noch nicht richtig ausgearbeitet habe.

Ihr könnt euch sicher sein, dass es ein starker Wille ist, nicht nur von mir, aber auch von anderen Mitwirkenden, die Foodsharing-Community lebendig zu halten und ihnen eine Plattform zur Verfügung zu stellen, die ihnen nicht in die Quere kommt, wenn es in erster Linie ums Lebensmittelretten geht.

Die foodsharing-Community besteht aus einem liebenswerten Haufen von Menschen; ich habe es noch nie erlebt, so willkommen geheißen zu werden, egal wo ich hinkomme. Durch foodsharing habe ich die Möglichkeit bekommen, bei der einzigartigen yunity-Bewegung teilzuhaben, die mich mit einer Menge neuer Visionen und anderen Sichtweisen auf das Leben und die Welt ausgestattet hat. Die Erfahrung der letzten zwei Jahre hat meinen Weg für mein aktuelles und zukünftiges Leben auf eine Weise verändert, die ich so davor niemals vorrausgesehen hätte.

Das ist mein Grund, warum ich zumindest versuchen muss, meinen Teil beizutragen, um diese Community und Bewegung aufrechtzuerhalten.

Vielen Dank fürs Lesen!